7.1 Vom Bildungsverein zum Streik

  • Bildungsverein für jugendliche Arbeiterinnen und Arbeiter
  • Sparzwangstreik
  • Liebknechtstreik

Über die Tätigkeit von Minna Faßhauer mit und in den Organisationen der Arbeiterschaft haben wir in den vorhergehenden Berichten schon einiges erfahren. Eine große Rolle spielte der „Bildungsverein jugendlicher Arbeiterinnen und Arbeiter“. Mit den Jugendlichen hatte Minna für das Reichsvereinsgesetz gekämpft, strebte in und mit der Arbeiterschaft die Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechts an und alles in einem Klima der Unterdrückung und des Polizeiknüppels in einem sich zuspitzenden antimilitaristischen Kampf.

  • Die Jugendlichen, unter ihnen Minna Faßhauer, entwickelten einen klaren Klassenstandpunkt.
  • das Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft wurde gestärkt
  • Widerstand gegen die sich verschärfende Lage entwickelte sich.

Der Bildungsverein wächst schnell, die Proteste gegen Polizeiwillkür und zunehmend gegen die wachsende Kriegsgefahr nehmen in den Folgejahren zu, denen sich auch die die Braunschweiger Arbeiter anschlossen.

Das Elend in der alltäglichen Realität schärfte das Bewußtsein der Braunschweiger Arbeiterschaft.

Dem Aufruf des „Volksfreund“ am 28.7.1914 zu einer Protestversammlung gegen die Kriegshetze folgten mehr als 5 000 Bürger. Sie erklärten in einer einstimmig angenommenen Resolution ihre Bereitschaft, „…treu zu den Organisationen der Arbeiterschaft zu stehen und alle Bestrebungen zu bekämpfen, die geeignet sind, den Frieden und die Kulturarbeit der Völker zu zerstören.“

Diesen Widerstand versuchten die Militärbehörden von Beginn an mit Gewaltmaßnahmen zu brechen. Die Klassengegensätze verschärften sich. Man rechnete mit Unruhen wegen der zunehmenden Lebensmittelknappheit und -teuerung infolge des Krieges und rüstete nach innen gegen die eigene Bevölkerung!

Trotz der von den Militärbehörden verfügten Gewaltmaßnahmen fanden sich in Braunschweig Mitglieder und Funktionäre der SPD zusammen, die mit der Bewilligung der Kriegskredite und dem Einschwenken ihres Parteivorstandes auf den Kriegskurs des kaiserlichen Deutschlands nicht einverstanden waren.

Bereits 1916 und 1917 hatte diese Gruppe in fast allen Betrieben Vertrauensleute, vielfach jedoch Gruppen, mit deren Hilfe die jeweiligen Aufgaben durchgeführt werden konnten. Die Spartakusgruppe war entstanden.

Drei Streiks prägen jene Jahre, der Sparzwangstreik und der Liebknechtstreik, auf die wir hier nicht näher eingehen bis auf eine Begebenheit im Sparzwangstreik:

Die zweite Streikversammlung fand am 2. Mai im „Ölper Waldhaus“ statt. Auf Antrag von Sachs und Krosse wurde hier beschlossen, über die Partei und die Gewerkschaften mit dem Generalkommando Verhandlungen über die Aufhebung des Sparzwanges einzuleiten.

Inzwischen hatte sich die Erregung auf dem Hagenmarkt, dem Platz der Arbeiterschaft zu der Zeit, weiter gesteigert. Besonders unter den Frauen, die zusammen mit den Jugendlichen auf dem Hagenmarkt waren und vor der Firma Weihe auf die Ausgabe von Kartoffeln warteten. Als unter ihnen bekannt wurde, dass der Inhaber der Firma, Fischer, erklärt haben soll: „Wenn die Frauen keine Kartoffeln kriegen, sollen sie Kartoffelschalen fressen. Für das Pack ist das gerade gut genug“, war wenige Augenblicke später das Geschäft gestürmt und ausgeräumt.

Die Polizei hatte jetzt Anlaß, um brutal gegen Frauen und Jugendliche auf dem Hagenmarkt vorzugehen. Mehrere Stunden versuchte sie jetzt vergeblich, den Hagenmarkt und die anliegenden Straßen von Demonstranten zu säubern. Den Markt unter ihre Kontrolle zu bringen, war sie nicht in der Lage. Erst gegen Abend ließen die Zusammenstöße nach.

Wir sind sicher, daß Minna Faßhauer hier ihrem Anspruch entsprechend aktiv gewesen ist. Wichtiger aber ist, daß sie und die Jugendlichen wie auch die gesamte Braunschweiger Arbeiterschaft in diesen Streiks gewachsen und stärker geworden ist.

Wir können nur vermuten, daß Minna Faßhauer im Sparzwangstreik und im Liebknechtstreik 1916/1917 aktiv gewesen ist, Belege darüber waren bisher nicht zu finden.